Mayonah: Erwachen des Schoßraumes – was es für Männer & Frauen bedeutet
Mayonah A. Bliss ist seit vielen Jahren aktiv in der Schoßraumheilung und tantrischen Liebeskunst. Das Erwachen des Schoßraumes ist ihr Lebensthema. Sie gibt Yoni-Massagen, bietet mit Kolleginnen Frauenjahrestrainings an, leitet Rituale, hat sich mit der Schlangenkraft beschäftigt und organisiert in 2018 ein Frauensymposium für das Erwachen einer neuen Weiblichkeit. Als sie 2003 einen Kreis professioneller Yoni-Masseurinnen zum alljährigen Fachaustausch beim Rote-Blüte-Treffen zusammenrief, wurde übrigens der Grundstein für diese Webseite gelegt. Hier ein Interview mit ihr über lebendige Schöße und eine bessere Liebeskultur.
Mayonah, du bist dafür bekannt, dass du bei deiner Arbeit nicht nur die einzelne Frau siehst, sondern die Frau im Kontext unserer Kulturgeschichte betrachtest und damit den Blick auf das gesamte weibliche Kollektiv hältst. Was nimmst du im Schoß der Einzelnen von dem großen Gesamten wahr?
Der tiefste Schmerz im weiblichen Kollektiv liegt im Schoßraum der Frau. Es ist der Ort, der in matriarchaler Zeit als heilig galt und in dem die Göttin verehrt wurde. Er ist das Zentrum weiblicher Kraft, der Raum weiblichen Wissens, der Quell weiblicher Kreativität und Spiritualität. Er ist ein Ort des weiblichen Mysteriums. Der Schoßraum hat im Zuge des Patriarchats bis in die heutige Zeit in vielfältigster weise Gewalt erfahren. In meiner Arbeit mit Frauen erfahre ich immer wieder, wie viel kollektiver Schmerz hier gespeichert ist. Aber auch, welches „Erwachen des Schoßraumes“ möglich ist, wenn dieser Ort heilt, wenn Licht in den Schatten der Vergangenheit fällt und der alte Ballast sich auflösen kann.
Das klingt sehr abstrakt – was meinst du mit „kollektivem Schmerz“? Was kommt da hoch? Wie muss man sich das vorstellen?
Der kollektive Schmerz ist die Summe des Schmerzes, den Frauen im Laufe der Geschichte erfahren haben. Die millionenfach wiederholte Verletzung des Schoßraumes hat sich als Erfahrung in unsere Zellen eingebrannt und wird unbewusst von Mutter zu Tochter zu Tochter weitergegeben. Wir tragen das Erbe der Frauen vor uns in uns. Und wir sind ebenfalls Teil des weiblichen Kollektivs zu dieser Zeit. Wenn wir alle „ein Sein“ sind, dann können wir auch den Schmerz der Frau fühlen, die auf der anderen Seite des Globus vergewaltigt oder verstümmelt wird. Je tiefer ich in meinen Schoßraum als Zentrum des weiblichen Seins hinein fühle, umso tiefer komme ich in Kontakt mit dem weiblichen Kollektiv. Nicht nur der kollektive Schmerz wird dann fühlbar, auch an altes Frauenwissen können wir uns hier wiedererinnern.
Woran merkt eine Frau, ob sie einen schlafenden Schoßraum hat oder einen erwachten? Ich meine, wir haben heutzutage einen leichten Zugang zur Sexualität aller Art, man sollte meinen, moderne Frauen haben sehr lebendige Schoßräume?
Ich möchte behaupten, dass die Schöße der Mehrheit der Frauen schlafen – und dass wir es nicht einmal bemerken, weil es so gewohnt ist und wir nichts anderes kennen. Erst in dem Moment, in dem ein Erwachen des Schoßraumes stattfindet, werden wir uns bewusst, dass wir zuvor geschlafen haben. Eine offene, freizügige oder facettenreiche Sexualität zu leben heißt nicht unbedingt, dass die Frau in ihrem Schoß erwacht ist. Auch die Erfahrung von Schwangerschaft, Geburt und Muttersein bedeutet nicht unbedingt, dass der Schoß erwacht ist.
Eine Frau mit schlafendem Schoßraum fühlt sich tendenziell unverbunden mit sich und dem Leben. Der Bezug zu ihrer eigenen weiblichen Identität ist diffus, sie fühlt sich schnell als Opfer der Umstände und handelt eher reaktiv. In der Sexualität versucht sie eher, es dem Mann „recht“ zu machen, es fällt ihr schwer, den Kontakt zu gestalten und ihre Wünsche zu formulieren. Meist weiß sie gar nicht, was sie eigentlich braucht, was ihre tiefere Sehnsucht ist. In ihrem Schoß fühlt sie wenig, vieles fühlt sich darin taub und empfindungslos an und es braucht starke Reize oder Fantasien, um sexuell ins Fließen zu kommen. Die Sexualität bleibt dabei meist auf der grobstofflichen Ebene als körperliche Erfahrung in den unteren Chakren.
Was geschieht, wenn die Frau im guten Kontakt mit ihrem erwachten Schoßraum ist?
Eine Frau, die in ihrem Schoß erwacht, erstrahlt in ihrer Weiblichkeit. Sie fühlt sich tief verbunden zu Mutter Erde, zum Leben, zur Quelle allen Seins. Weibliches Wissen wird fühlbar. Ihr Selbstwert beginnt von innen her zu leuchten. Sie spürt ihre Würde. Die Sexualität gewinnt an spiritueller Tiefe. Das Lachen geht in ihr auf. Sie wird zu einem wärmenden Pol in der Welt, zu einer Quelle der Liebe. Meine Vision ist, dass die Schöße der Frauen dieser Welt erwachen – als Segen für sie und die Welt.
Das klingt schön, und auch gut für die Männer und unsere gemeinsame Liebeskultur
Oh ja, das Erwachen des Schoßraumes ist auch ein Segen für die Männer! Erst wenn eine Frau in ihrem Schoß wirklich zuhause ist und sich darin lebendig fühlen kann, kann sie auch den Mann in sich empfangen! Für den Mann kann sich dann sie Sehnsucht nach einem tiefen Ankommen bei der Frau erfüllen. Ein wacher Schoß kann den Lingam (Anmerk. d. Redaktion: den Penis) aufnehmen und mit ihm kommunizieren. Die Sexualität wird zu einem erfüllenden Tanz der beiden. Und wenn sie Frau insgesamt tiefer bei sich als Frau angekommen ist, muss sie ihre Bedürfnisse nicht mehr so auf den Mann projizieren. Sie weiß um die Quelle in sich selbst und kann daraus in Freiheit lieben.
Wenn wir als Frauen und Männer im Gesamten immer mehr zu unseren eigenen Kraftquellen finden, dann haben wir einen wichtigen Grundstein für das Entstehen einer neuen Liebeskultur gelegt.
Um dieser neuen Verständigung zwischen Frauen und Männern einen Raum zu geben, habe ich den Frauen-Männer-Kongress „Symposium einer neuen Liebeskultur“ mitinitiiert. Er fand zum ersten Mal 2013 auf Hof Oberlethe statt, im Anschluss an den Frauenkongress 2013 und die parallel stattfindende Männerzeit. In 2018 hat sich das Ganze zum Frauensymposium transformiert. Termin 4.-7. Oktober 2018 in Ulm.